Gedächtnisprotokoll zur Waldführung am Samstag, den 21.4.2018 durch Dietrich Mehl und Rüdiger Michels.

Herr Mehl ist Leiter der Landeswaldoberförsterei Reiersdorf, Herr Michels arbeitet im Fachbereich Landnutzung und ökologische Grundlagen in der Verwaltung des Biosphärenreservats. Die Waldführung wurde von Arno Stein aus Poratz initiiert. Wir waren eine kleine Gruppe von insgesamt etwa 15 Personen, die zusammenkamen, um trotz des ungetrübten Frühlingswetters eine Reihe offensichtlicher Probleme im Biosphärenreservat – und den Zuständen darüber hinaus zu diskutieren. Es wurde schnell deutlich, dass die Probleme vor Ort auf strukturelle Schwächen und eine unbefriedigender Gesetzeslage zurückgehen und dass wir in unserer Sorge um die Natur geeint sind.

Hier eine kurze Liste der Probleme, die im Laufe des Vormittags diskutiert wurden:
– Großflächiger Holzeinschlag trotz ausgewiesener Naturschutzgebiete, auch ganzjährig und während der Brutzeit
– es gibt keine verbindlichen Regeln und Gesetze zur naturschutzgerechten Waldnutzung, allenfalls Richtlinien , Interessenskonflikte von wirtschaftlicher Waldverwertung und Umweltschutz, Bodenverdichtung durch rücksichtslosen Einsatz von Harvestern
– Kiefern-Monokulturen: Versauerung des Boden, Verbreitung von Reitgras (Calamagrostis), kaum noch ursprünglicher Bewuchs, Notwendigkeit der Waldverjüngung
– Wildzunahme, intensive Bejagung, wiederholte Treib- (bzw. Drück-) Jagden, Anfütterung von Wild durch industrielle Landwirtschaft und große Felder mit Energiepflanzen

Die Liste wurde aus dem Gedächtnis erstellt, es gab natürlich noch mehr Themen.

Etwa 1/3 der Forstfläche des Biosphärenreservats gehört zum Landesforst, von denen rund 15.000 ha unter der Hoheit von Oberförster Mehl stehen. Nach seiner Aussage, werden auf diesen Flächen keine chemischen Pflanzenvernichtungs- oder Düngemittel gebracht, es werden keine Waldwege begradigt, es wird kein Recyclingmaterial eingebracht und der Wald wird nach FSC-Kriterien bewirtschaftet. Die Kernzonen des Biosphärenreservats werden zur Holznutzung nicht bewirtschaftet, Jagd ist nur eingeschränkt möglich. Soweit die gute Nachricht, soll heißen, um den Landesforst im Biosphärenreservat (insbesondere den der Forstverwaltung Reiersdorf) steht es vergleichsweise gut. Doch was ist mit der restlichen 2/3 Waldfläche? Die wurden nach 1990 sukzessive an Alt- und Neueigentümer verkauft, inklusive geschützter Totalreservate. Aufgrund fehlender verbindlicher Gesetze haben die Eigentümer nun weitestgehend freie Hand. Fehlverhalten, d.h. Verstöße gegen Richtlinien, wie Kahlschlag, Ackergifte im Wald, zerfahrener Waldboden durch schweres Gerät, werden viel zu selten geahndet. Verbindliche naturschutzgerechte Nutzung muss mit Kompensationsmaßnahmen erkauft werden, mit Steuergeldern, genommen von den Besitzlosen, gegeben den Besitzenden, damit sie sich an die Richtlinien halten, die eigentlich Gesetz sein müssten.
Diese Praxis ist skandalös – oder wenigstens unchristlich – womit wir den Kern der Idee unserer NABU-Kirche berühren. Naturschutz predigen alle: Kein Waldbesitzer, kein Bauer findet Bienensterben gut. Doch sanfter Umgang mit Bäumen, Feldern und Wiesen macht Mühe und benötigt Zeit. Kommt es zum Schwur im eigenen Revier wählen MENSCHEN zu oft die bequemen, schnellen, lauten und kurzfristig lukrativen Wege. NABU und Kirche predigen den langsamen Weg, den behutsamen Umgang mit den Schwächsten, die dem flüchtigen Blick verborgen, im Boden, auf Wiesen oder im Totholz leben. Für bedrohte Arten sind unverbindliche Richtlinien, gesetzliche Schlupflöcher und eigentumsfreundlichen Dienstanweisungen, die Amtspersonen und Bürger gleichermaßen ohnmächtig machen, schlicht und einfach ein Todesurteil.

Fazit unseres Waldspaziergang: Wir stehen noch ganz am Anfang, aber wir sind nicht alleine.

Vielen Dank an alle Beteiligte!
Ingolf Sack

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